
Ein Beispiel aus dem Weinbau
Ganz einfach ausgedrückt bedeutet integrierter Pflanzenschutz, dass man der Kulturpflanze ein Umfeld bietet, in dem sie im Idealfall ohne den Einsatz von Pestiziden auskommt. Dies bedeutet, dass Pflanzen — in unserem Fall Tafel- und Keltertrauben — so kultiviert werden, dass sie an den Standort angepasst sind. Der Standort umfasst dabei Faktoren wie Bodenbeschaffenheit, Wasserhaushalt, Niederschlagsniveau, Windrichtung/Belüftung, Neigung zur Sonne usw.
Der erste Teil des integrierten Pflanzenschutzes besteht darin, entsprechend robuste bzw. widerstandsfähige Pflanzen auszuwählen. Die zweite Maßnahme ist die Wahl eines geeigneten Standorts und die Auswahl an den Standort angepasster Pflanzen — das sind pflanzenbauliche Maßnahmen.
Die dritte Maßnahme beinhaltet biotechnische Verfahren zur Abwehr von Schaderregern, wie zum Beispiel das Verwirren der Traubenwickler mittels Pheromonen sowie das Fördern von Prädatoren und Gegenspielern.
In der vierten Maßnahme, wenn alle anderen nicht den gewünschten Erfolg bringen, kommen biologische Pflanzenschutzmittel zum Einsatz. Der Einsatz chemischer Mittel sollte immer das letzte Mittel der Wahl sein.
Das Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Belastungen für Mensch und Umwelt auf ein absolutes Minimum zu reduzieren, Nützlinge zu schonen und zu fördern. Gerade in Zeiten des Artensterbens sollte der chemische Pflanzenschutz sehr kritisch betrachtet werden.
Was sind die Folgen?
Herbizide wie z.B. Glyphosat töten unerwünschte Beikräuter, die oft Nahrungsgrundlage und Lebensraum für viele Insekten sind. Durch den Verlust dieser Lebensgrundlage fehlen Insekten wiederum als Nahrungsquelle für Vögel. Auch das Fehlen von Wild- und Beikräutern führt dazu, dass wichtige Wildsämereien als Vogelfutter verschwinden.
Zahlreiche Studien belegen inzwischen, dass auch chemisch-synthetische Fungizide erhebliche Auswirkungen auf wildlebende Insekten haben. Hummeln, die zu den Wildbienen gehören, können massiv gestört werden: Ihre Königinnen werden unter dem Einfluss dieser Mittel teilweise steril, während sich die Arbeiterinnen antriebslos und orientierungslos verhalten. Infolgedessen wird die Brut nicht mehr ausreichend gepflegt, was den Fortbestand der Population gefährdet.

Wie ist das umsetzbar?
Fangen wir beim Boden an. Böden werden in die vier Bodenarten Sand, Schluff, Ton und Lehm unterteilt. Manche Rebsorten haben hier bestimmte Vorlieben, und über die richtige Wahl der Rebunterlage kann man gezielt Einfluss nehmen. Es gibt verschiedene Unterlagen, auf denen das Edelreis aufgepfropft werden kann. Diese Rebunterlagen selbst haben wiederum bestimmte Ansprüche an den Standort und das Umfeld. Manche bevorzugen z.B. lehmige Böden, andere sind empfindlicher gegenüber Chlorose (einem Eisenmangel).
Eine starkwüchsige Unterlage auf einem sehr humusreichen Boden führt oft zu einem übermäßigen Wachstum der Kulturpflanze — in unserem Fall der Weinrebe. Dadurch wird die Pflanze anfälliger für Krankheiten, da ihre Zellwände oft zu dünn sind. Zudem bringen starkwüchsige Reben häufig zu dichte Trauben hervor, was das Risiko von Fäulnis erhöht.
Eine wichtige Rolle für die Gesundheit der Reben spielen Mykorrhizen — Pilzgeflechte, die in Symbiose mit anderen Pflanzen leben, von Gräsern über Kräuter bis hin zu Bäumen. Sie fördern die Nährstoffaufnahme der Rebe und stärken ihre Widerstandskraft. Die einzigen Pflanzengattungen, die keine Mykorrhizen eingehen, sind Kreuzblütler wie der Ackersenf.
In Zeiten von Trockenperioden, Starkregen und Hitze wird der Humusaufbau immer wichtiger. Durch gezielte Einsaat wächst organische Masse, die sich in Humus verwandelt. Humus wirkt wie ein Schwamm und verbessert die Wasser- und Nährstoffspeicherfähigkeit, insbesondere von Stickstoffverbindungen wie Nitraten. Begrünungen beschatten den Boden und reduzieren so Verdunstung sowie Erosion durch Wind und Wasser.
Rebanlagen, die in Windrichtung angelegt sind, trocknen schneller ab. Dadurch haben Mehltaupilze weniger Chancen, sich auszubreiten. In unseren Weinbergen achten wir auf eine gezielte Pflege der Raine und Böschungen mit Gehölzstrukturen, um thermische Effekte zu nutzen und das Ablüften zu erleichtern.
Gehölze und Böschungen als Ruderalstrukturen bieten zudem wichtige Lebensräume für Nützlinge und sind ein wesentlicher Bestandteil des integrierten Pflanzenschutzes.
Quellenverzeichnis zum Integrierten Pflanzenschutz
Rechtsvorschriften und gesetzliche Grundlagen:
- Richtlinie 2009/128/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (21. Oktober 2009)
Link zum Originaldokument
Diese EU-Richtlinie legt den Rahmen für einen nachhaltigen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln fest und fordert die Umsetzung integrierter Pflanzenschutzmaßnahmen. - Verordnung (EG) Nr. 1107/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates (21. Oktober 2009)
Link zum Originaldokument
Regelt die Zulassung und Verwendung von Pflanzenschutzmitteln in der Europäischen Union und stellt sicher, dass diese Mittel keine unzumutbaren Auswirkungen auf Gesundheit und Umwelt haben.
Nationale Institutionen und Fachbehörden:
- Umweltbundesamt (UBA):
Integrierter Pflanzenschutz – Spart Arbeit, schont die Umwelt
Das UBA erklärt die Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes und betont die Bedeutung nicht-chemischer Alternativen zur Reduktion von Pestizideinsatz. - Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL):
Pflanzenschutzbestimmungen
Hier werden die gesetzlichen Grundlagen und Anwendungsbestimmungen des Pflanzenschutzes in Deutschland erläutert.
Wissenschaftliche und weiterführende Quellen:
- Wikipedia:
Artikel zum Integrierten Pflanzenschutz
Eine kompakte Zusammenfassung der Methoden und Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes. - Landakademie:
Fortbildung Sachkunde
Pflanzenschutz Bietet praxisorientierte Fortbildungen und Hintergrundwissen zum nachhaltigen Pflanzenschutz. - Universität Hamburg:
Definition chemischer Pflanzenschutz
Erklärt den Begriff und die Anwendung chemischer Pflanzenschutzmittel im wissenschaftlichen Kontext.
Studien und Fachartikel:
- Unterschätzte Wildbienen – Artenvielfalt sichert landwirtschaftliche Erträge:
Artikel auf Pflanzenforschung.de
Beleuchtet die Rolle von Wildbienen für die Biodiversität und die Landwirtschaft. - Untreue Bienen und tödliche Gefahren – Bienensterben und seine Folgen:
Artikel auf Pflanzenforschung.de
Analysiert die Ursachen des Bienensterbens und dessen Auswirkungen auf Ökosysteme und Landwirtschaft. - Fachstudie zu Fungizidbelastung bei Hummeln:
MDPI-Studie: Colonies of Bumble Bees
Untersucht, wie Fungizide die Fortpflanzung und das Verhalten von Hummelvölkern beeinflussen. - Pestizide begünstigen Hummel-Parasiten:
Spektrum-Artikel
Erläutert, wie Pestizide die Anfälligkeit von Hummeln für Parasiten erhöhen und so deren Population gefährden.